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VOM SERIENMEISTER ZUM SORGENKIND

  1. Einleitung
  2. Kaderplanung – Großer Kader, wenig Tiefe
  3. Transferpolitik – Mit Heitz geht das glückliche Händchen
  4. Spielanlage – Offensives Abflachen
  5. Fazit

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1. Einleitung

Jahrelang galt der FC Basel als Aushängeschild der Schweizer Super League. Von 2010 bis 2017 konnte das Team acht Meistertitel in Folge einfahren. Auch auf internationaler Ebene sorgte der FCB für Aufsehen. Teams wie der FC Liverpool und Manchester United zogen in der Champions League-Gruppenphase den Kürzeren, am Europa League-Finale schrammte man 2013 nur knapp vorbei. Die Basler Spieler entwickelten sich zur nachgefragten Exportware für Europas Topclubs. Internationale Topstars wie Mohammed Salah, Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri stellen dabei lediglich die Spitze des Eisbergs dar. Doch inzwischen scheint der Glanz vergangener Jahre ein wenig verfolgen. Auf nationaler Ebene reichte es seit 2017 lediglich einmal zum Pokalsieg (2019), in der Liga haben die Young Boys aus Bern den Baslern inzwischen deutlich den Rang abgelaufen. In der Konsequenz mussten sich die Rot-Blauen zuletzt mit der Teilnahme an der Europa League begnügen, der Zugang zur finanziell lukrativen Champions League blieb ihnen verwehrt. Jüngster Tiefpunkt der sportlichen Entwicklung ist das krachende Cup-Ausscheiden gegen den Zweitligisten Winterthur (Endstand 2:6), im Ligavergleich ist man im Jahr 2021 das schwächste Team! Doch wie lässt sich dieser Negativtrend erklären? Was hat sich in den letzten Jahren in Sachen Kaderzusammenstellung und Transferpolitik verändert? Und welches Potenzial steckt im aktuellen Team?

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2. Kaderplanung – Großer Kader, wenig Tiefe

Der aktuelle Mannschaftskader des FCB umfasst 31 Spieler, zu vermehrten Einsatzzeiten bringen es dabei jedoch nur 15 Akteure (>500min zur Saisonhälfte). Im Gegensatz dazu hat Tabellenführer YB einen kleineren Kader, 19 der 26 Spieler bringen es allerdings auf regelmäßige Einsätze. Auch in Sachen Marktwert hinkt das Basler Team hinterher (ø 1,53 Mio./Spieler vs. YB: 2,15 Mio./Spieler). Obwohl die Mannschaft auf jeder Position mindestens doppelt besetzt ist, scheint es dem Team qualitativ an Tiefe zu fehlen.

Embolo und Akanji waren die letzten herausragenden Eigengewächse

Wenig Variationsmöglichkeiten bieten sich bspw. mit Blick auf die zwei Plätze in der Innenverteidigung. Hinter den zwei arrivierten Cömert und Klose, bietet sich mit Salzburg-Leihe van der Werff lediglich eine ernsthafte Alternative an. Da dieser des Öfteren auch auf den defensiven Außenbahnen aushelfen muss, blieb zuletzt lediglich der unerfahrene Hajdari (17 Jahre) als Back-Up. Ähnliche Situationen bieten sich im zentral offensiven Mittelfeld, hier ist Spielgestalter Kasami praktisch alternativlos, und auf den offensiven Außenbahnen, wo sich nahezu die komplette Einsatzzeit auf drei Spieler aufteilt (Stocker, Zhegrova, Pululu). Auch hinter Torjäger Cabral, der bereits 13 Pflichtspieltore (0,68 Tore/Spiel) erzielen konnte, klafft eine große Lücke. Stürmer Nr. 2, Ricky van Wolfswinkel, bringt es bisher auf magere zwei Scorerpunkte (ein Tor, eine Vorlage, 0,11 Tore/Spiel). Zum Vergleich: In der letztmaligen Meistersaison 16/17 brachte es Topstürmer Doumbia auf 21 Pflichtspieltreffer, mit Marc Janko hatte der FCB jedoch noch einen weiteren gefährlichen Angreifer in der Hinterhand (14 Treffer). Ähnlich sieht die Situation aktuell beim Primus aus Bern aus. Mit Nsame (18 Pflichtspieltreffer), Siebatcheu (10) und Außenspieler Fassnacht (7) sind gleich drei Spieler besonders torgefährlich.

Jahrelang zeichnete sich das Mannschaftsgefüge des FCB weiterhin durch die wichtige Rolle überragender Eigengewächse aus. Letztmals große Aufmerksamkeit zogen dabei Spieler wie Breel Embolo (heute Borussia Mönchengladbach) und Manuel Akanji (heute BVB) auf sich. Auch im heutigen Kader finden sich einige Spieler, die das Fußballspielen in der deutsch-schweizer Grenzregion gelernt haben. Dabei handelt es sich jedoch entweder um Rückkehrer, die ihren Zenit bereits überschritten haben (Stocker, Frei) oder um Akteure, die zwar als solide Kaderspieler gelten, von denen aber selten Herausragendes zu erwarten ist (Cömert, Petretta). Youngster wie der erst 17-jährige Außenstürmer Chiappetta, Mittelfeldspieler Orges Bunjaku (19 Jahre) oder Verteidigertalent Albian Hajdari (17 Jahre) stehen zwar ab und an im Spieltagskader, regelmäßige Einsatzzeiten bekommen sie jedoch nicht.

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3. Transferpolitik – Mit Heitz geht das glückliche Händchen

Seit langer Zeit basiert die Transferpolitik des FC Basel auf zwei Säulen. Zum einen liefert die hauseigene Akademie vielversprechende Talente, die nach ein bis zwei starken Saisons mit Vorliebe in die deutsche Bundesliga transferiert werden (Shaqiri, Xhaka, Sommer, Embolo, Akanji…). Zum anderen werden Spieler für moderate Summen aus vergleichsweisen schwächeren Ligen eingekauft (u.a. auch aus der heimischen Super League) und im Optimalfall wenig später, für ein Vielfaches des Einkaufspreises, in europäische Topligen weiterverkauft (Salah, Elneny, Elyounoussi). Das eingenommene Transferplus wird anschließend wieder reinvestiert und der Prozess beginnt von vorne. Gesteuert wurde dieser Kreislauf jahrelang sehr erfolgreich vom Duo aus Sportdirektor Georg Heitz und Präsident Bernhard Heusler. Nachdem Heusler sein Amt im Juni 2017 niederlegte, suchte allerdings auch Heitz eine neue Herausforderung. Inzwischen fungiert er als Sportdirektor bei Chicago Fire in den USA.

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Stocker, Frei und Lacroix hatten beim Transfer ihren Zenit bereits überschritten

Sein, direkt vom Praktikanten zum Sportdirektor, beförderter Nachfolger Marco Streller hatte in folgenden Jahren jedoch weniger Glück auf dem Transfermarkt. Exemplarisch für die Entwicklung der letzten Jahre ist die Wintertransferperiode 2017/18. Damals konnte letztmals ein Spieler aus der eigenen Jugend teuer verkauft werden: Für 21 Mio. € schnappte sich damals der BVB Manuel Akanji. Zudem wurde der gefährliche Außenstürmer Renato Steffen für die überschaubare Summe von 1,75 Mio. € an den VfL Wolfsburg abgegeben. Im Gegenzug wurden mit Stocker, Frei und Lacroix Spieler verpflichtet, deren sportlicher Zenit zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten und deren Wiederverkaufswert begrenzt war. Grundsätzlich wird in den letzten Jahren, entgegen öffentlicher Bekenntnisse, weniger auf entwicklungsfähige Spieler gesetzt. Zwar wurden seitdem trotzdem noch lukrative Deals eingefädelt, bspw. der 18 Mio.-Transfer von Elyounoussi zum FC Southampton, dabei handelte es sich jedoch stehts um zuvor extern verpflichtete Akteure. Von Natur aus, sind solcherlei Deals allerdings mit größerem Risiko behaftet. Spieler, die verpflichtet werden, kosten zunehmend höhere Ablösen. Allein drei der teuersten fünf Zugänge der Vereinshistorie wurden in den letzten zwei Jahren getätigt (Widmer, Cabral, Oberlin). Stimmt die Leistung im Anschluss nicht, sinkt die Chance auf einen gewinnbringenden Weiterverkauf (Oberlin, ablösefrei abgegeben an Bayern II). Der momentan ausbleibende sportliche Erfolg führt zudem dazu, dass die Spieler nicht die Gelegenheit haben, sich auf höchster internationaler Ebene anzubieten (z.B. in der Champions League). Während der FCB im Anschluss an die letzte Meistersaison 2017 noch ein Transferplus von über 18 Mio. € erwirtschaften konnte, weist er momentan ein Minus von 4,5 Mio. € auf. Auf der anderen Seite liegt das Transfersaldo des Konkurrenten YB bei +7,75 Mio. €.

Nach mehreren Personalrochaden wird die Sportdirektorposition inzwischen von Ciriaco Sforza besetzt. Dessen jüngste Verpflichtungen lassen darauf schließen, dass in Zukunft wieder vermehrt auf Talente gesetzt werden soll: Sowohl bei Innenverteidiger Cardoso (ausgeliehen von West Ham), Mittelfeldspieler Palacios (5,2 Mio. € von San Lorenzo) als auch bei Angreifer Males (ausgeliehen von Inter Mailand) handelt es sich um U21-Spieler. Weiterhin liegt diesen Transfers die Hoffnung zugrunde, die oben beschriebenen Positionsdefizite (IV, ZOM, ST) auszugleichen. Ob und inwiefern diese Neuzugänge ins Team integriert werden, hängt ebenfalls maßgeblich von Sforza ab. Dieser ist gleichzeitig Cheftrainer der Basler, und damit hauptverantwortlich für die Spielanlage und Aufstellung der Mannschaft.

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4. Spielanlage – Offensives Abflachen

Der FC Basel hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Offensivkraft eingebüßt. Während in der Meistersaison 16/17 noch 2,56 Tore pro Spiel erzielt worden, sind es 20/21 lediglich noch 1,61. Auch die Anzahl der Offensivaktionen bewegt sich in den letzten Jahren deutlich unter dem Wert der Meistersaison (Durchschnitt der Saison 2017-2020: 856.000 vs. 2016/2017: 902.000). Im Vergleich zur Vorsaison erspielt sich das Team zunehmend weniger Chancen pro Spiel (20/21: 5,78 vs. 19/20: 7,28), spielt weniger Schlüsselpässe (7,72 vs. 11,06) und bringt weniger Flanken ans Ziel (19% vs. 28%). Im Zeitraum von 2017-2021 konnte knapp ein Drittel der herausgespielten Chancen verwertet werden, in der Meistersaison waren es noch fast 50%. Vieles deutet daraufhin, dass die Abgänge der Torgaranten Doumbia und Janko nie ganz aufgefangen werden konnten. Auch die Verkäufe der Außenbahnspieler Steffen und Elyounoussi, sowie das Karriereende von Spielmacher und Vereinslegende Delgado fallen hier ins Gewicht.

Defensiv konnte das Team seine Leistungsstandards über die letzten Jahre relativ konstant halten. Dementsprechend zeichnet sich das aktuelle Team durch ein eingespieltes und kompaktes Defensivzentrum aus. In der Innenverteidigung überragt der ehemalige Bundesligaakteur Timm Klose mit 85% gewonnen Luftduellen und einer starken Zweikampfquote von 74%. An seiner Seite agiert zumeist Eigengewächs Eray Cömert, der im Vergleich zu Klose zwar etwas abfällt (60% gewonnene Luftduelle, 66% gewonnene Zweikämpfe), sich aber durch seinen sauberen Spielaufbau auszeichnet (90% Passquote). Zudem leistet er sich deutlich weniger Ballverluste als sein Nebenmann (0,44/Spiel vs. 1,35/Spiel).

Abrashi soll die Zweikampfpräsenz erhöhen

Vor der Abwehr ist Ex-Mainzer Fabian Frei gesetzt. Dessen Stärken liegen dabei im Spiel mit dem Ball: 85% seiner Pässe kommen an, regelmäßig findet er seine Mitspieler auch in gefährlichen Feldpositionen (2,2 angekommene Pässe in den Strafraum/Spiel). Auf der anderen Seite gewinnt er nur 44% seiner Defensivzweikämpfe. Dementsprechend haben sich die Basler in der Winterpause mit Amir Abrashi vom SC Freiburg verstärkt, von ihm erhofft man sich erhöhte Zweikampfpräsenz an der Seite von Frei. Dreh- und Angelpunkt in Trainer Sforzas bevorzugtem 4-2-3-1-System ist Spielmacher Pajtim Kasami. Der 28-jährige zeichnet sich durch seine hohen Präsenz auf dem Spielfeld (80 Ballaktionen/Spiel), sowie durch seine Torgefährlichkeit aus. Acht Treffer und 2,2 Schüsse/Spiel sprechen für sich. Als dynamischer Box-to-Box-Spieler sucht er oft das Dribbling (3,7/Spiel, 64% erfolgreich). Gleichzeitig 5,5 abgefangene Bälle/Spiel stehen exemplarisch für die gute Antizipationsfähigkeit des Schweizer Nationalspielers. Auf der anderen Seite findet Kasami seine Mitspieler nur selten in gefährlichen Abschlusspositionen. Gerade einmal 0,24 angekommene Schlüsselpässe/Spiel sind für einen Zehner schwach.

Unterstützt wird Kasami von wechselnden Außenbahnspielern. Zum einen wäre da der ehemalige Bundesliga-Legionär und Kapitän Valentin Stocker, zum anderen der Kosovare Edin Zhegrova und Eigengewächs Afimico Pululu. Sowohl Stocker (4 Tore/6 Assists), als auch Pululu (1/8) zeichnen sich dabei durch gute Scorerwerte aus. Vor allem Stocker gelingt es, seine Mitspieler regelmäßig in vielversprechende Abschlusssituation zu bringen. Als Linksfuß von der rechten Seite kommend, spielt er 2,3 Schlüsselpässe, kreiert 1,23 Chancen und liefert 0,5 xAssists pro Spiel. Von seinen 2,3 Flanken/Spiel kommen jedoch gerade einmal 9% an. Zhegrova mangelt es im Vergleich zu seinen Kollegen an Effizienz. Auffällig ist jedoch die Häufigkeit, mit der er das Dribbling sucht (12x/Spiel) und diese 1 gg. 1-Situationen auch für sich entscheidet (61%).

Als Sturmspitze gesetzt ist der junge Brasilianer Arthur Cabral (22 Jahre). Mit elf Saisontreffern führt er die Torjägerliste der Super League momentan an. Der körperlich starke Angreifer fungiert zum einen als klassischer Zielspieler (27 Zweikämpfe/Spiel, 11 Luftduelle/Spiel), zum anderen ist er mobil genug, seine Gegenspieler auch via Dribbling zu überwinden (4,2/Spiel, 54% erfolgreich). 46% verwertete Chance und drei Tore mehr als erwartet (xGoals) unterstreichen zudem die Abschlussstärke der Basler Nr. 98.

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5. Fazit

Der Schweizer FCB hat die nationale Vormachtstellung vergangener Tage eingebüßt. Dem aktuellen Kader fehlt es an qualitativer Tiefe, das Offensivspiel flacht seit Jahren ab. Der Exodus gefährlicher Angreifer (Doumbia, Janko, Steffen, Elyounoussi) konnte nie vollständig aufgefangen werden. Seit dem Abgang von Sportdirektor Heitz gelang es mit einer Ausnahme (Akanji) zudem nicht mehr, Kapital aus hochveranlagten Jugendspielern zu schlagen. Die Säulen des aktuellen Teams sind in die Jahre gekommen, mit Goalgetter Cabral sticht lediglich ein junger Akteur wirklich hervor. Um sportlich in die Erfolgsspur zurückzukehren gilt es nun, eigene Jugendspieler vermehrt ins Team zu integrieren und das lahmende Angriffsspiel mit mehr Durchschlagskraft zu versehen, bspw. durch kostengünstige Leihtransfers (wie Seydou Doumbia in der Meistersaison 16/17). Andernfalls droht die Lücke zum Spitzenteam aus Bern immer größer zu werden, von hinten drücken unter anderem Servette Genf oder der FC Zürich darauf, den Baselern auch noch die Vizemeisterschaft streitig zu machen und sie dauerhaft weiter nach hinten zu verdrängen.

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