Zum Inhalt springen

TRANSFORMATION DER ROSSOBLU

  1. Einleitung
  2. Kaderplanung – Eine vielversprechende Zukunft
  3. Transferpolitik – Transferpolitik (noch) als Minusgeschäft
  4. Spielanlage – Keine klare Spielidee
  5. Potenzial für Mehr?

:

1. Einleitung

Der FC Bologna verpflichtet Marko Arnautovic – was ein Transfercoup! Der 30-jährige Österreicher, Champions League Sieger 2009/10 und zuletzt Superstar in der Chinese Super League, wurde frenetisch von den Anhängern der Rossoblu empfangen und soll nun dazu beitragen, den siebenfachen italienischen Meister zu stabilisieren.

Der Verein kämpfte im vergangenen Jahrzehnt fast durchgehend gegen den Abstieg, musste in der Saison 2014/15 sogar in der Serie B antreten – auch wenn der direkte Wiederaufstieg gefeiert werden konnte. Seit drei Jahren nun etabliert sich das Team von Trainer und Serie A – Legende Sinisa Mihajlovic langsam im Mittelfeld der Serie A und konnte in der vergangenen Saison den zwölften Tabellenplatz belegen. Die Gründe für die Leistungssteigerung liegen hierbei zu großen Teilen in der Kaderplanung und der Transferpolitik der Bolognesi, die im Folgenden neben der Spielweise des Teams näher dargestellt werden.

.

2. Kaderplanung – Eine vielversprechende Zukunft 

Der Kader der Rossoblu („Die Rot-Blauen“) ist gespickt mit vielen vielversprechenden Talenten und weist mit 25.4 Jahren das viertjüngste Durchschnittsalter aller Serie A Klubs auf. Spannend ist die Kombination aus Leistungsträgern im besten Fußballeralter (Soriano, Skorupski), Spielern die ihren Zenit überschritten haben (Medel, Arnautovic, De Silvestri) und Akteuren, die gerade erst den Durchbruch im Profifußball erleben. Doch welche dieser Youngster haben das Zeug für die wirklich große Fußballbühne und könnten in der neuen Spielzeit zu absoluten Leistungsträgern werden?

Bereits als Stammspieler etabliert ist der japanische Verteidiger Takehiro Tomiyasu, dessen Marktwert bereits auf 20 Mio. Euro taxiert wird und der in den vergangenen Wochen immer wieder mit einem Wechsel zu den Tottenham Hotspur in Verbindung gebracht wurde. Ein Wechsel des Olympia Teilnehmers im Sommer ist Stand 26. August nach wie vor nicht auszuschließen. In der vergangenen Saison kam der 22-jährige auf 31 Einsätze im Ligabetrieb, überzeugte hierbei besonders durch sein Stellungsspiel (5.5+ Interceptions/90 Min.) und progressives Passspiel, mit dem er die Angriffe seiner Farben aus der Defensive einleiten konnte. Während Tomiyasu im Nationalteam auch als Rechtsverteidiger auflief, dürfte er in Bologna auch weiterhin das Zentrum besetzen – vermutlich neben Kevin Bonifazi, der fest aus der Nachbarstadt Ferrara von SPAL verpflichtet wurde (6 Mio. Euro Ablöse) und mit seinen 25 Jahren mitten in der Entwicklung steckt. In der abgelaufenen Spielzeit war er für Udinese Calcio einer der zweikampfstärksten Verteidiger ligaweit, ergänzt sich also super mit Tomiyasu.

Der 19-jährige Aaron Hickey schloss sich Bologna im vergangenen Sommer an – bemerkenswert, dass Bologna um Sportdirektor Riccardo Bigon unter anderem den FC Bayern im Werben um den Schotten ausstechen konnte. In Italien kam der Linksverteidiger in seiner ersten Saison jedoch nur auf 11 Spiele, er musste sich einem großen Konkurrenzkampf mit dem erfahrenen, aber verletzungsanfälligen Niederländer Mitchell Dijks liefern, der auch in 21/22 wieder Fahrt aufnehmen wird. Derzeit dürfte Dijks aufgrund seiner deutlich besseren defensiven Zweikampfführung und einer hohen Anzahl (häufig aber geringen Qualität in Dribblings und Flanken) an Offensivaktionen noch die Nase vorn haben.

Dominguez starke Leistung läuft unter dem Radar

Im zentralen und defensiven Mittelfeld erlebte der 23-jährige Argentinier Nicolás Domínguez 20/21 wohl seinen großen Durchbruch, auch wenn dies von der Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen wurde. Der Ball Winning Midfielder führte in seinen 28 Einsätzen in der abgelaufen Spielzeit nicht nur die drittmeisten Defensivzweikämpfe (10.1/90 Min.) aller zentraler Mittelfeldspieler der Liga, sondern gewann auch die meisten der Selbigen (65%)! Seine aggressive Spielweise (8 gelbe Karten + überdurchschnittlich viele Fouls 20/21) kombiniert Dominguez mit starkem Stellunggsspiel und kommt so auf durchschnittlich fast 11 Balleroberungen – ein überragender Wert! Ergänzend hinzu kommt die starke technische Veranlagung des Gauchos, im Aufbauspiel gibt er regelmäßig den Ballverteiler in die Spitze oder auf die Flügelpositionen.

Neben Domínguez sind auch der Schwede Mattias Svanberg und der Niederländer Jerdy Schouten im Zentrum beheimatet. Ersterer sollte eine Stütze der Tre Kronor bei der Europameisterschaft sein, fiel aufgrund einer langwierigen Coronainfektion allerdings mehrere Wochen aus – nun ist er zurück im Mannschaftstraining und soll an die erfolgreiche Saison 20/21 anknüpfen (mit 5 Treffern einer der Toptorschützen des Teams). Svanberg agiert immer wieder extrem offensiv, seine Abschlussquantität ist für einen zentralen Akteur extrem hoch, zudem ist er Bolognas Experte in Sachen Schnittstellenpässe, die extrem genau kommen. Gleichzeitig zeichnet sich der 22-jährige durch fleißige Defensivarbeit und einige Ballgewinne aus. Positionskonkurrent Schouten ist deutlich defensiver eingestellt, kommt ähnlich wie Dominguez vor allem über eine robuste Gangart in direkten Duellen mit den Angreifern und ein starkes Stellungsspiel.

Mit dem 19-jährigen Isländer Andri Fannar Baldursson (derzeit verliehen an den FC Kopenhagen) und dem erst 16-jährigen polnischen Top-Talent Kacper Urbański stehen bereits die nächsten vielversprechenden Mittelfeldakteure in den Startlöchern.

Kommen wir zum Prunkstück der Rossoblu, der Offensive – angeführt von Flügelflitzer und Nationalspieler Riccardo Orsolini (7 Tore + 2 Assists 20/21). Der Linksfuß spielt in der Regel auf dem rechten Flügel, verkörpert hier den Spielstil des Inside Forwards (inverser Flügelspieler), indem er immer wieder mit hohem Tempo und trickreichen Dribblings (5.5/90 Min.) zur Spielfeldmitte zieht, um von dort Offensivaktionen einleiten zu können. Mit fast 3 Schüssen und 1.3 Torschussvorlagen pro 90 Minuten gehört er zu den aktivsten Flügelspielern liegaweit – allerdings ist es auch objektiv belegbar, dass der 24-jährige seit etwa 1.5 Jahren in seinen Leistungen leicht zu stagnieren beginnt. Die Wechselgerüchte um italienische Topclubs sind vorerst verstummt.

Mit dem dänischen EM-Teilnehmer Andreas Skov Olsen und Chievo-Talent Emanuel Vignato (kam Anfang 2020 für 1.1 Mio. Euro aus Verona) hat man zwei weitere Youngster im Kader, die vorrangig über Orsolinis rechten Flügel kommen, beide können alternativ aber auch links oder zentral hinter der Spitze auflaufen. Skov Olsen, nach wie vor Ergänzungsspieler, wusste bereits 20/21 durch viele und erfolgreiche Flanken und Dribblings zu überzeugen – allerdings war das Endprodukt des Skandinaviers mit 4 Scorerpunkten zu schwach. Dies liegt zum einen an der geringen Schussgenauigkeit, aber auch am recht niedrigen xA Wert seiner Torschussvorlagen: diese kommen zwar beim Mitspieler an, die Abschlussposition ist für diesen aber eher schlecht.

Einer dieser Teamkollegen ist Stürmer Musa Barrow, der nach einer erfolgreichen Leihe für eine Ablöse von 14.5 Mio. Euro fest von Atalanta Bergamo verpflichtete wurde. Der 22-jährige Rechtsfuß aus Gambia absolvierte in der vergangenen Saison alle 38 Spiele in der Liga und kam dabei auf starke 8 Tore und 8 Assists. Barrow agiert dabei äußerst flexibel, ist als Linksaußen oder zentrale Spitze einsetzbar – in der laufenden Spielzeit kommt er regelmäßig über den Flügel (Arnautovic im Zentrum gesetzt) und kann seine Rolle als abschlussstarker Inside Forward frei ausleben. Allerdings zeigt seine hohe Anzahl an Assists, dass er das Vorbereiten eines Torschusses (fast 2 mal pro 90 Minuten als Flügelspieler) mindestens genauso gut kann!

:

3. Transferpolitik (noch) als Minusgeschäft

Die Transferpolitik des FC Bologna ist einen besonderen Blick wert. Der Verein schafft es in bemerkenswerter Regelmäßigkeit neue Spieler unter dem aktuellen Marktwert zu verpflichten oder den Marktwert der eigenen Akteure innerhalb weniger Saisons deutlich zu steigern – dies ist vor allem dem Vertrauen geschuldet, dass man auch jungen Akteuren, wie Barrow oder Svanberg direkt gibt. Dennoch schreibt man gerade auf den Transfermarkt seit einigen Jahren rote Zahlen!

Durchschnittmarktwert um 3 Mio. Euro gesteigert

Hintergrund dessen sind vor allem die deutlich gestiegenen Ablösesummen für junge Talente, besonders wenn sie, wie Orsolini und Barrow aus der heimischen Serie A verpflichtet werden und einiges an Vorschusslorbeeren mitbringen. Zudem sind es gerade die einstelligen Millionenablösen für Routiniers (z.B. Denswil, Falcinelli, Santander), die noch nicht für eine gänzliche moderne und langfristige Transferpolitik stehen. Blickt man jedoch auf die Entwicklung des Durchschnittsmarktwerts der Kaderspieler, zeigt sich, dass die Investitionen in den Kader Früchte tragen. Landete man 2018/19 noch bei 2 Mio. Euro im Mittel, sind es vor Beginn der aktuellen Saison schon über 5 Mio. Euro!

Interessant ist das Vorgehen bei zweistelligen Millionensummen wie bei den angesprochenen Orsolini und Barrow: Beide Angreifer wurden vor einer festen Verpflichtung mit Kaufoption/-pflicht ausgeliehen (von Juventus bzw. Atalanta). Barrows Marktwert betrug beim Leihbeginn im Januar 2020 fünf Mio. Euro, steigerte sich aber bis zum offiziellen Leihende im Juni 2021 auf satte 20 Mio. Euro! Die Kaufverpflichtung gegenüber Atalanta Bergamo griff und die Rossoblu konnten ein vermeintliches Schnäppchen schlagen und einen Leistungsträger binden. Auch Roberto Soriano wurde nach diesem Modell transferiert und gehalten.

Blickt man auf Routiniers, ist eine spannende Transferstrategie zu erkennen: Diese Akteure sollen dem Kader Stabilität geben und Leistungsschwankungen der Talente und Youngster ausgleichen – doch natürlich bieten sie kaum Wiederverkaufswert. Deshalb transferiert man potenzielle Stützen fürs Team in der Regel deutlich unter aktuellem Marktwert, wie zum Beispiel vor einigen Wochen Marko Arnautovic, der lediglich 3 Mio. Euro kostete.

Wie bei vielen italienischen Teams spielt auch bei den Rossoblu ein florierendes Leihgeschäft eine wichtige Rolle in der Spielerentwicklung. Da kaum ein Team über eine Zweitvertretung in unteren Ligen verfügt, werden Spieler mit Potenzial im eigenen Land oder in das Heimatland des Talents verliehen. Derzeit trifft das unter anderem auch Juwara oder Baldursson zu, in der Vergangenheit war es Nicolás Domínguez, der nach seinem Transfer von Vélez Sarsfield direkt an seinen Jugendclub zurückverliehen wurde. Dies half in der Entwicklung und ermöglichte, dass Dominguez ohne Anlaufschwierigkeiten direkt in Bologna durchstarten konnte.

.

4. Keine klare Spielidee

In der vergangenen Saison war Bologna nach Gegentoren im unteren Drittel der Tabelle zu finden – nach xG against (zu erwartende Gegentore) war man sogar das zweitschlechteste Team der Liga hinter Crotone! Einzig die starke Leistung von Keeper Skorupski, der auf 6.3 prevented Goals (zweitbester Wert der Liga) kam, verhinderte einen unangenehmen Abstiegskampf. Problem waren besonders die extrem vielen zugelassenen Schüsse des Gegners, die darüber hinaus aus deutlich überdurchschnittlich guten Positionen abgegeben werden konnten – besonders gegnerische Standards waren problematisch (13 Gegentreffer). Hintergrund ist vor allem das eigene Pressing: in den vergangenen drei Saisons gab es kein Team ligaweit, dass den Gegner höher anlief – allerdings selten geschlossen und dementsprechend nur mit bescheidenem Erfolg in der Balleroberung. Dies hatte zur Folge, dass man weit aufgerückt Freiräume für den Gegner offenlegte.

Skorupskis Leistung verhinderte 20/21 den Abstiegskampf!

Im Aufbauspiel bespielt man vorzugsweise die rechte Außenbahn (Orsolini, de Silvestri), allerdings sind auch Angriffe durchs Zentrum recht effektiv. In der Regel sind es Positionsangriffe mit Ballbesitz, die das Team von Mihajlovic erfolgreich machen, doch man schafft es aufgrund mangelnder Qualität im Aufbau und Pressing des Gegners nicht, dem Gegner regelmäßig das eigene Spiel aufzuzwingen. Im progressiven Passspiel in das letzte Drittel konnten einzig Dominiguez, Schouten und Tomiyasu dauerhaft überzeugen, nach dem Abgang des Verteidigers fehlt besonders aus der Defensivreihe jetzt ein Impact im Spiel mit dem Ball.

Erreicht man jedoch das letzte Drittel gibt es keine klare Qualität, die das Team zum Torerfolg bringen. Blickt man auf Flanken und Dribblings fällt besonders die geringe Qualität dieser Aktionen auf – beim Flankenspiel fehlt auch die Quantität (dementsprechend ungefährlich ist man per Kopf). Auch der finale Pass der Rossoblu ist nur schwankend gut, hauptsächlich Soriano sorgt hier für Kreativität. Aufgrund der mangelnden Ideen zieht man extrem häufig von außerhalb des Strafraums ab – nur sechs Spieler zogen beispielsweise 20/21 öfter ab als Musa Barrow, allerdings fielen mannschaftsübergreifend nur sechs Treffer durch Fernschüsse.

Es zeigt sich, dass Bologna unter Coach Sinisa Mihajlovic keinen klaren Spielstil durchsetzen konnte – dies führt zu wenig Kreativität im letzten Drittel und Anfälligkeit im eigenen Defensivverbund!

.

5. Potenzial für Mehr?

Der FC Bologna hat einige vielversprechende Spieler in seinen Reihen – allerdings ist es die wichtige Aufgabe der jugoslawischen Legende Mihajlovic eine Spielidee zu entwickeln, die für die verschiedenen Spielertypen des Kaders kompatibel ist und zeitgleich die vorhandenen Egos nicht untergräbt. Spieler wie Arnautovic, Soriano oder Medel müssen ihre Erfahrung weitergeben und den eigenen Stammplatz im Zweifel hinten anstellen.

Aufgrund der mittlerweile durchdachten Transferpolitik und dem Fokus auf die Entwicklung von Spielern, stellt sich der Verein auch in finanzieller Hinsicht vernünftig und langfristig auf. Teure Spieler werden – wenn überhaupt – erst nach vorheriger Leihe verpflichtet, so kennt man das Leistungsvermögen, den Charakter und die Passform ins eigene System. Wichtig wird sein, dass man zum einen die Ruhe behält, auch wenn man nach wie vor nur im Mittelfeld der Serie A platziert ist und des Weiteren teure Verkäufe generieren kann – bei Spielern wie Orsolini war man zu sehr bedacht den Spieler halten zu wollen, was zu einem kleinen Leistungsloch und Unzufriedenheit geführt hat. Kann man die Rolle als Ausbildungsclub vollumfänglich akzeptieren, dürften die Weichen in Richtung einer positiven Zukunft gestellt sein!

Schlagwörter:

Kommentar verfassen